Der Berliner Mutter-Erde-Tag lädt zum Spielen ein

Mutter-Erde-Tag Berlin, 22. April 2017
Die Welt ist in Bewegung, das Klima ist bedroht. Aus diesem Grund finden am 22. April 2017 – dem Tag der Erde –Demonstrationen für den Schutz und die Wertschätzung der Erde statt und nehmen weltweit Menschen an Veranstaltungen zum Thema Umwelt teil. Auch in Berlin wird wieder demonstriert. Anstatt immer wieder auf die Straße zu gehen, gibt es laut der niederländischen Künstlerin Li Koelan auch einen anderen, einfacheren Weg. Unter dem Motto „Spielst du mit?“ organisiert die Wahlberlinerin zum ersten Mal einen eigenen ‘Berliner Mutter-Erde-Tag’. In ihrem Erdemuseum im Bezirk Neukölln gibt sie am 22. April 2017 den Kindern das Kommando, genauso wie es Herbert Grönemeyer schon im Jahr 1986 in einem Song erwähnte.
„Die Erde ist ausgebeutet und erschöpft bis zum Geht-nicht-mehr, viele Menschen sind erschöpft. Ddie Erde ist müde, die politischen Systeme sind müde, alles ist müde und hat keine Kraft mehr. Wir alle machen uns viele Gedanken, sind meistens kopfgesteuert, aber letztendlich geht es doch darum, wieder diese schöpferische Kraft – die jeder von uns in seinem Herzen trägt – zu nutzen. Das ist eine spielerische Kraft, womit wir uns selbst Freude schenken und die Schöpfung wieder in neue Bahnen lenken können, wieder heilen können. Es geht nur über diese Kraft.Ob wir mit einem Protest oder einer Demonstration Mutter Erde wirklich beschenken können – ich glaube nicht. Für andere Menschen mag es okay sein, für mich ist es sehr fragwürdig geworden, weil sie zu sehr auf alten, müde gewordenen Denkmustern basiert sind“, sagt Li Koelan.
Die Erde als lebendiges Material

© Friedhelm Hoffmann
Die Künstlerin wuchs im niederländischen Tilburg auf. Zuhause gab es einen großen Garten, in dem sie am liebsten im Sand spielte und sich schmutzig machte. „Dann lag ich oft mit meinem Ohr auf der Erde, wollte spüren, ob die Erde sich bewegt. Ich habe mit Würmern gespielt. Die Erde war für mich lebendiges Material.“ Der rote Faden in ihrer ganzen Arbeit ist aber der Fakt, dass sie eine Frau, eine Künstlerin ist. „Für die Professoren auf der Kunsthochschule war das anscheinend authentisch. Sie haben es mir einfach erlaubt. Ich suche eine Form für Sachen, die nicht direkt Mainstream sind, wie zum Beispiel weibliche Gefühle und Ideen. Etwas was wertlos scheint, die angebliche Bedeutungslosigkeit der Dinge – das hat mich immer interessiert. Ich habe zum Beispiel in den Niederlanden und in Belgien ein erfolgreiches Projekt mit Haaren gemacht. Für mich gibt es nichts, kein Ding, dass keine Bedeutung hat.“
Während ihres Studiums der Feministischen Philosophie hat sie viele französische Philosophen kennengelernt und sie hätte später eine Karriere als Wissenschaftlerin machen können. Li Koelan hatte dazu aber keine Lust. „Die Philosophen haben schon einen großen Teil meines Lebens bestimmt. Das Studium hat mich unglaublich interessiert. Ich hatte aber nicht die Freiheit, die ich als Künstlerin spürte. Ich liebe die Kunst, weil ich immer dabei bin etwas zu transformieren, etwas zu verändern, etwas in eine neue Form zu gießen. Ich bin eher ein körperlicher Mensch und kann mein Leben und die Welt besser über meinen Körper gestalten als über meinen Kopf. Die Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst ist für mich aber immer anwesend, es ist eine ganz starke Verbindung“, erklärt sie.
Das Erdemuseum als Kunstprojekt
Sie beschäftigt sich nicht erst seit heute mit der Erde. Ihr Erdemuseum ist ein Kunstprojekt, das während des Kunstfestivals 48 Stunden Neukölln 2009 unter dem Titel „Die Erde ist unteilbar“ vorgestellt wurde. Im gleichen Jahr wurde auf Vorschlag der bolivianischen Regierung der 22. April von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Mutter Erde erklärt. Zufall? Die Künstlerin lächelt verschmitzt. Sie sitzt vor dem Schaufenster in ihrem Erdemuseum in der Weichselstraße 52. An der rechten Wand steht ein riesiges Regal aus Holz mit vielen Fächern. Jedes Fach trägt den Namen eines Landes. Einige Fächer sind leer, aber in den meisten befindet sich ein Glas oder ein kleines Fläschchen mit Erde. „Im Bezirk Neukölln wohnen unglaublich viele Menschen aus ganz vielen verschiedenen Ländern. Das Thema des Kunstfestivals 2009 war ‘Humus’. Auf einmal gab es bei mir eine Art Geistesblitz. Humus? Wie viele Länder sind hier im Kiez vertreten? Das waren über 160 Länder“, erzählt die Niederländerin begeistert. Damals wurde ihr Erde-Projekt ausgewählt und sie durfte dieses in der ‘Alten Post’, der ehemaligen Hauptpost im Berliner Stadtteil Neukölln, präsentieren. Es gab nun aber ein Problem: Sie hatte nur ein paar Erdproben.
„Dann hatte ich die Idee, mich an alle ausländischen Botschaften in Berlin zu wenden. Die Mitarbeiter reisen viel hin und her und könnten doch Erde aus ihrem Land mitbringen, dachte ich. Ich schrieb zum Beispiel an die Botschaft von Mexiko und teilte mit, dass ihr Land mit 24 Menschen in Neukölln vertreten ist. Diese persönliche Herangehensweise kam gut an.“ Die ersten 33 Gläser bekam Li Koelan so von den Botschaften. „Die erste Reaktion kam von der Botschaft aus Estland. Die Mitarbeiter begrüßten das tolle Projekt, wollten gerne mitmachen, aber sie hatten ein Problem: Die Erde in Estland war noch gefroren“, sagt Li und lacht. „Aber, teilte die Botschaft mit, sie haben ein paar Adressen von Blumenläden in Berlin für mich, wo Blumenerde aus Estland verkauft wird. Ich habe dann begeistert zurückgemailt: Ich brauche die Erde erst im Juni.“
Neben den Botschaften trat sie mit ihrem Projekt auch an die Goethe-Institute heran. So wurde das Regal immer voller und voller. Seit dem 26. Juni 2015 ist das Erdemuseum Teil ihres Ateliers und zugänglich für Besucher. Genau an diesem Tag eröffnete das Kunstfestival 48 Stunden Neukölln und hatte im jenem Jahr das Motto S.O.S. – Kunst rettet Welt. Am gleichen Tag kamen bei einem Anschlag im tunesischen Sousse 38 ausländische Touristen ums Leben. Li Koelan erinnert sich: „An jenem Freitagabend kam hier ein Pärchen zu Besuch. Sie suchten Erde aus Tunesien. Ich hörte die Frau sagen: ‘Die hat keine Erde aus Tunesien.‘ Dann habe ich gesagt: ‘Doch, ich habe Erde aus Tunesien und zwar aus Sousse, die habe ich selbst mitgenommen.‘ Ich habe ihr die Erde gezeigt. Am Samstag war der junge Mann des Pärchens noch einmal hier, dieses Mal mit seinem Kumpel. Er war komplett durcheinander darüber, was in seinem Land passiert war – und dann auch noch in Sousse, der Stadt aus der er kommt. Er hat nicht viel gesagt, es gab auch nicht viel zu sagen. Aberam Sonntag kam er nochmals mit seiner Freundin.Es hat ihn richtig gepackt.“
Die Sprache ist mit der Erde verbunden

© Friedhelm Hoffmann
An der linken Wand im Erdemuseum steht ein Tisch. Darauf liegen Zeitungen aus der ganzen Welt. Sie sind ein Teil des Projektes 1.000 Stimmen sind 1.000 verschiedene Sprachen. Li Koelan erklärt: „An jeder Zeitung hängt ein Schild, worauf in der entsprechenden Sprache der Satz ‘Die Erde ist unteilbar’ geschrieben ist. Die Erde sieht überall anders aus, aber sie ist und bleibt Erde. Die Sprache sieht überall anders aus, aber sie ist und bleibt eine Sprache, ein Ausdruck, eine Vermittlung oder Umsetzung der Erde.“ Laut der Künstlerin ist die Sprache auch mit der Erde verbunden. „Mit Esperanto hat man versucht, eine künstliche allgemeine Sprache für jeden zu entwickeln. So etwas können wir uns ausdenken, aber es funktioniert nicht. Kultur ist, ob wir es wollen oder nicht, unmittelbar mit dem Herzen von jedem Menschen verbunden. Es ist eine starke schöpferische Kraft.“
In Neukölln leben Menschen aus mehr als 160 verschiedenen Ländern und Kulturen.
„Die Kulturen sind verschieden, aber nicht getrennt“
In Neukölln leben Menschen aus mehr als 160 verschiedenen Ländern und Kulturen. „Die Kulturen sind verschieden, aber nicht getrennt“, erklärt Li Koelan. „Wenn jemand Erde hierher bringt, dann spüre ich sofort: Das ist auch ein Teil von mir. Das ist dann nicht die Erde aus dem Land, in dem ich geboren bin, aber ich kann es nicht von meiner ‘eigenen‘ Erde trennen. Ich kann nicht sagen, dass sie fremd ist. Wenn ich das sage, dann bin ich nicht mehr ganz und damit ein getrenntes Wesen. Ich denke, unsere Kultur im Westen hat sich inzwischen so weit entwickelt, dass wir alles schön in Schubladen eingeteilt haben, aber damit haben wir einfach statt der Freiheit die Hölle geschaffen.“
Der Berliner Mutter-Erde-Tag lädt zum Spielen ein
Laut Li Koelan ist also die Schöpfung erschöpft. Wir brauchen wieder unsere eigene, schöpferische Kraft. Deswegen ergreift sie im April die Initiative, den Berliner Mutter-Erde-Tag ins Leben zu rufen. „Ich spüre immer, dass es keine anderen Wege mehr gibt, etwas zu beeinflussen. Diese erschöpfte Position spüre ich auch bei mir selbst, bei den Menschen in meiner Umgebung und auch in der Politik. Die letzten Jahre arbeitete ich mit Kindern und irgendwie habe ich dann gespürt, dass ich nicht die stärkste Kraft bekomme, wenn ich eine neue Ausstellung mache, sondern wenn ich mit meinen Kindern arbeite.“ Sie meint damit die Kinder, die in einem Heim wohnen und einmal in der Woche bei der Künstlerin einen Workshop besuchen. Dieses Experiment startete vor drei Jahren. Die Kinder sind so für einige Zeit weg vom Heim, weg von der Schule, weg von der Therapie und sie können einfach nur spielen, basteln, malen, bei sich selbst ankommen. Am Mutter-Erde-Tag will Li Koelan diese spielerische Kraft ansprechen. „Wir sind alle Kinder dieser Mutter Erde. Wir können die Erde richtig beschenken mit unserer schöpferischen Kraft. Das heißt, wir werden an dem Tag zum Beispiel zeichnen, T-Shirts bemalen, Luftballons steigen lassen und vieles mehr“, sagt Li Koelan. Sie betont, dass dieser Berliner Mutter-Erde-Tag nicht nur für Kinder ist. „Ich möchte, dass die Kinder ein großes Vorbild für die Erwachsenen sind, sodass auch die Erwachsenen wieder diese Kraft des eigenen inneren Kindes zu spüren bekommen. Gerade bei den Menschen die berufstätig sind und sich nicht mehr die Zeit nehmen, etwas zu zeichnen oder eine Blume schön in eine Vase zu stellen. Also, es geht um das Spielen, aber bitte auch für die Erwachsenen.“

Li Koelan (foto: © Jeroen van Eijndhoven)
Die enthusiastische Künstlerin deutet auf das Buch Die Botschaft der weisen Alten: Der spirituelle Rat der Großmutter. „Das sind 13 Großmütter aus ganz vielen Kulturen. Vor ein paar Jahren hatte ich schon die Idee, einen Rat von 13 weisen Mädchen ins Leben zu rufen, der das Erde-Projekt weiterträgt. Die Idee ist noch in der Entwicklungsphase, aber fest steht, dass über die Facebook-Seite des Erdemuseums alle Mädchen, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden, aufgerufen sind, mir kurz einen Brief zu schreiben oder anzurufen. Wenn es zum Beispiel 30 Bewerberinnen sind, dann bestimme nicht ich, welche Mädchen den Rat formen, sondern die Mädchen untereinander. Diese 13 Weisen tragen dann nicht nur das Erde-Projekt weiter, sondern organisieren auch den Mutter-Erde-Tag 2018.“ Li Koelan fügt hinzu, dass Berlin in diesem Jahr am 22. April ein großer Spielplatz werden soll. „Alle Vereine, Stiftungen und Schulen in Berlin können selbst eine passende Aktivität anbieten. Ich organisiere Projekte und Spiele bei mir in Neukölln, aber ich hoffe, dass das Motto ‚Spielst du mit?‘ in alle Teile der Stadt getragen wird. Alle Aktivitäten können bei mir angemeldet werden, damit ich sie auf der Facebook-Seite veröffentlichen kann und die interessierten Berliner so eine gute Übersicht über alle Veranstaltungen bekommen.“
In Kanada wird der Tag der Erde unter dem Motto EarthPlay EartDay gefeiert. Dabei geht es darum, dass die Kinder durch das Spielen wieder in Verbindung mit der Natur stehen. Das Motto weicht nicht viel ab vom Motto des Erdemuseums. Zufall? Die Künstlerin lächelt zum zweiten Mal verschmitzt.
Facebook-Seite Mutter-Erde-Tag Berlin 2017
https://www.facebook.com/muttererdetagberlin2017
Website Erdemuseum
www.erdemuseum.de
Text
© Allard van Gent
Deutsche Korrektur: Sarah Meiners
1000 x 1000 x 1000 Dank bis…. geht nicht mehr….einfach sehr schön …alles Liebe Li
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